Gülle-Alarm

Der nachfolgende Artikel ist inzwischen einige Jahre alt.

Die Gülleproblematik hat seitdem weiter zugenommen und erlebt augenblicklich aufgrund der Witterungslage alarmierende Ausmaße.

Die Güllebehälter sind bis zum Rand gefüllt und auf den nassen, teilweise überfrorenen Feldern kann keine Gülle ausgebracht werden.

Nicht nur Schleswig Holsteins und Niedersachsens Bauern, die besonders betroffen sind, kämpfen mit der schlechten Witterungslage.

Sie konnten teilweise seit Juni 2017 keine Gülle mehr ausfahren.

Der Trend zu immer weniger Höfen und immer mehr Tieren ist ungebrochen.

Mit EU-Agrarsubventionen fördern verantwortungslose Politiker die Massenproduktion und den Fleischexport. Steuergelder, die besser eingesetzt werden könnten, um  an einer Agrarwende zu arbeiten:  Förderung kleinerer, ökologisch arbeitende Betriebe, geringerer Konsum von Fleisch und Fleischprodukten guter Qualität, Kreislauflandwirtschaft statt  Sojaimport aus Brasilien und anderen Überseeländern.

 

Ich hatte vor einigen Jahren diesen Artikel für meine Homepage verfasst, weil mich das Thema Mikroorganismen seit vielen Jahren beschäftigt. Vielleicht ist erein kleiner Beitrag von vielen, der sich anmutige Verbraucher, Landwirte oder Entscheidungsträger wendet. Nur gemeinsam besteht die Möglichkeit zu einer Wende in der Landwirtschaft und damit auch zum Klimaschutz.

 

In meinem letzten Artikel habe ich angekündigt, mich mit dem Thema Gülle in einem meiner nächsten Artikel zu befassen.
Dass es schwierig sein wird, in einem Kurzartikel wie ich sie verfasse, dieses Thema zu bearbeiten, war mir klar. Bei meinen Recherchen und dem Versuch der Zusammenfassung meiner angesammelten Literatur, die sich mit der Thematik befasst, wurde mir dies erst richtig klar.
Was mir auch schnell klar wurde und was inzwischen viele Wissenschaftler, aber auch einige Landwirte und Konsumenten von landwirtschaftlichen Produkten erkannt haben, ist, dass es sich bei der Gülle um ein Problemprodukt handelt, mit dem wir unsere Umwelt und unsere Böden in furchterregender Weise schädigen.
In Deutschland werden mindestens zweimal im Jahr riesige landwirtschaftliche Flächen mit übel riechender Gülle getränkt.
Fäulnisbakterien werden vom Wind verweht und Ammoniak entweicht in die Luft. Mikroorganismen und Kleinstlebewesen, unverzichtbare Bestandteile für gesunde Humusböden werden abgetötet.
Teilweise sickern Gülle-Bestandteile wie Ammonium, Nitrat und andere in tiefere Bodenschichten ein und verseuchen das Trinkwasser.
In Obst- und Gemüseanbaugebieten können gefährliche Krankheitserreger in die Erde gelangen, was gesundheitliche Schäden bei Verbrauchern erzeugen kann.
Krankheitskeime wie u.a. Clostridien und Salmonellen, die besonders die Landwirte infizieren und zu schweren Erkrankungen (Botulismus,Salmonellose) führen, vermehren sich und weisen auf eine gestörte und aus dem Gleichgewicht geratene Mikrobiologie hin.
Außerdem gehen Nährstoffe bei der Ausbringung verloren (tausende Euro Wert an Nährstoffen in jedem Güllebehälter).
Etwa 27 Millionen Schweine und fast 13 Millionen Rinder produzieren mehr als 200 Millionen Tonnen Gülle in Deutschland.

Unglaublich ist, dass zusätzlich ein grenzüberschreitender Güllehandel mit Gülle aus den Niederlanden und Belgien erfolgt.
Überwiegend wird diese furchterregende Gülleproblematik jedoch von Politikern, Landwirtschaftsberatern und Landwirten bis heute ignoriert.
Ich habe mich bemüht, nachzuvollziehen, wie es überhaupt dazu kam, dass es zu dieser Gülleproblematik, wie wir sie in allen Ländern in denen Massentierhaltung (dieser Begriff wird vom Deutschen Bauernverbund als „politische Kampfparole“ eingestuft und abgelehnt) kommen konnte.
Als Tierarzt, der sich mit den Verhaltensweisen von Tieren auskennen sollte, möchte ich vorausschicken, dass die Vermischung von Kot und Harn ein unnatürlicher Vorgang ist.
Noch heute können wir bei allen Säugern feststellen, dass der Kot-und der Harnabsatz i.d.R. nicht zum gleichen Zeitpunkt stattfindet und die entsprechenden dafür vorgesehenen Organsysteme so angelegt sind, dass Kot und Harn nicht an die gleiche Stelle abgesondert werden.(Der Kot nach hinten, der Harn nach vorn).
Wie alle Vorgänge in der Natur, die sich in Millionen von Jahren entwickelt haben, gibt es hierfür einen Sinn.
Pflanzenfresser benötigen Pflanzen als Nahrung, und für das Wachstum dieser Pflanzen sind gesunde Böden  die Voraussetzung. Es muß dem Boden jedoch alles, was entnommen wurde zurückgegeben werden. Dies erfolgt dadurch, daß die Tiere dem Boden ihre Ausscheidungen in verwertbarer Form hinterlassen. Diese Symbiose zwischen Tier und Boden wird im Idealfall zu einer optimalen humushaltigen Bodenqualität führen und sie erhalten oder sogar verbessern.
Aus Teilen der nordamerikanischen Prärie, haben sich auf Basis ausgedehnter Grasflächen mit riesigen Büffelherden so die größten Kornkammern der Erde entwickelt.
Umgekehrt wurden und werden mit dem gleichen Material, Harn und Kot von Rindern und Schweinen, ein Großteil der landwirtschaftlichen Flächen, die ehemals beste Humusqualität aufwiesen, in Europa und weltweit geschädigt.
Statt den Humusschwund, der ohnehin durch Klimawandel, nicht angepasste Bodenbearbeitung, Eingriffe in den Wasserhaushalt, nicht bedarfsgerechte Düngung,
Anbau von humuszehrenden Produkten, die nicht der Ernährung dienen, auszugleichen,
wird er durch den Einsatz von Gülle noch verstärkt.
Was macht Gülle so schädlich für den Boden, obwohl das Ausgangsmaterial das selbe ist,
welches für ihn, in anderer Form zugeführt, äußerst nützlich ist.?
Die Erklärung hierfür ist einfach.
Kot von Tieren enthält eine Vielzahl von Mikroorganismen und organischem Material, während Harn keine Bakterien enthalten sollte, aber andere für Pflanzen wichtige Stoffe.
Kot und Harn über getrennte Wege ergeben mit kohlenstoffhaltigem Material ( Stroh, Pflanzenreste, „Unkraut“, Laub, etc.) ein optimales symbiotisches Verhältnis zwischen Tier, Pflanze und Boden.

Im Zuge der Industrialisierung im 19. und 20.Jahrhundert gab es in der Landwirtschaft einen erheblichen Produktionsanstieg und weniger Arbeitskräfte, die unter den gegebenen Bedingungen bereit waren, in der Landwirtschaft zu arbeiten.
Die Rinder- und Schweinezucht wurde optimiert und führte zu einer besseren Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch und Tierprodukten.
Die industrielle Landwirtschaft begann.
Die Tiere wurden, wie es bis heute geschieht, auf Spaltenböden gehalten, in ihren eigenen Fäkalien ruhend und in der Regel ohne bis zu ihrer Schlachtung einmal Stroh gesehen zu haben.
Bei diesem tiefgreifenden Strukturwandel wurden eine Vielzahl von Folgeproblemen geschaffen, die bis in die heutige Zeit hineinreichen.
Die ethische Bewertung  der Massentierhaltung will ich bewußt in meinem Artikel nur andeuten und nicht zum Thema machen.

In der Tierethik  wird tierisches Wohlbefinden als „größtmögliche biologische Funktion, Freiheit von Leid im Sinne von anhaltender Angst oder Schmerz sowie positive Erlebnisse wie Komfort und Zufriedenheit“  definiert.
Ob es ethisch  vertretbar ist,  in Tierschutzgesetzen nur Haustiere zu berücksichtigen und  Ausnahmen für Nutztiere zu machen, sei dahingestellt.
Zusammenfügung von Kot und Harn erweisen sich bei näherer Betrachtung als folgenschwere Fehlentwicklung.
Die ursprüngliche Haltung von Nutztieren erfolgte auf Stroh oder im Freien, wo sie ihre Ausscheidungen absetzten.
Das Stroh-Kotgemisch wurde auf einem Misthaufen gelagert und später auf die Felder ausgebracht. Die im Boden befindlichen Mikroorganismen bauten dann aus der Luft entnommenen Stickstoff (ca.78% der Luft bestehen aus Stickstoff) in das vorhandene organische Material (Kot-Stroh-Gemisch) ein.
Das entstehende Produkt war durch den Stickstoffeinbau energiereicher als das Ausgangsmaterial. Dem Boden wurden wertvolle Stoffe, die ihm durch Ernten und Auswaschung entzogen worden waren zurückgegeben. Mikroorganismen und Kleinstlebewesen die eine immense Bedeutung bei der Aufrechterhaltung von Humus haben, blieben erhalten.
Der Harn der Tiere lief über Rinnen in Jauche-Gruben (Jauche:Bezeichnung für den gesammelten Harn der Tiere).
Er enthält neben Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin, Phosphate, Kalium- und Calciumsalze u.a. und dient Pflanzen als Nährstoff wenn er etwa 10-fach mit Wasser verdünnt wird.
Beide Komponenten ergeben insofern einen äußerst nützlicher Dünger.
Mit Einführung der Spaltenböden in der intensiven Landwirtschaft wurde statt der Trennung von Kot und Harn der Tiere ein Kot-Harn-Gemisch erzeugt, dass als Gülle bezeichnet wurde.

Auch bei Gülle laufen durch Mikroorganismen bewirkte Prozesse ab. Diese entstehen durch Fäulnisbakterien.
Das Grundprinzip der Fäulnis besteht darin, Stickstoff ( meist in Form von Ammoniak) aus dem vorhandenen Material abzuspalten und freizusetzen. Das bedeutet, dass Stickstoff in die Luft abgegeben wird, die ohnehin schon überwiegend stickstoffhaltig ist und dies besonders in Form von Ammoniak, dass ein wesentlich schädlicherer Klimakiller als CO2 ist.
Sattler u. Wistinghausen  (Der landwirtschaftliche Betrieb, 1989) fassen die ungünstigen Nebenwirkungen von Gülle folgendermaßen zusammen:

-Geruchsbelästigungen in den Ställen und auf dem Gelände

-Schäden an den Extremitäten durch Roste und Spaltenböden

-Stallstress: psychische Probleme durch Tierkonzentration und
Strohmangel

-enorme Nährstoffverluste beim Ausbringen, vor allem in der
vegetationslosen Zeit

-allgemein bekannte Strukturschäden der Böden

-Verätzungen der grünen Pflanzen

-Schäden an den Wurzeln durch giftige Umsetzprodukte

-immer mehr verunkrautete Wiesen und Weiden durch Verdrängung
wertvoller Futtergräser, Kräuter und Kleearten

Dr.Manfred Kriegl und Heidi Rudolph weisen zudem auf die Folgen für die Mikroflora und -fauna der behandelten Flächen hin. Zitat ( Humus und Bodenleben ) : „Nehmen Sie sich die Mühe und beobachten Sie nach einer solchen Prozedur, wie viele tausende Regenwürmer durch die eingedrungene Jauche fluchtartig den Boden verlassen, danach sich krümmend dahin vegetieren, um nach Stunden zu sterben.“
Ich möchte hinzufügen: Statt mit ihrer Aktivität den herrlichsten Humus zu bereiten.

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