Nehmen wir an, die Schätzungen der Wissenschaftler treten ein: Die Durchschnittstemperatur der Erde steigt von 15°C auf 18°C an.
Das Problem besteht in der Zunahme der Treibhausgase bis zu einem Punkt, an dem die sozialen und wirtschaftlichen Strukturen von nachhaltigen Strömungen bedroht sind. Die Weltmeere dehnen sich aus, ihr Wasserspiegel steigt bis zu einem Meter an, sie tragen Küstenlinien ab und zerstören sie, überfluten ausgedehnte Landstriche und lassen manchen Inselstaat schlichtweg versinken. Die Erwärmung der Polkappen reduziert die Eismenge und die jahreszeitliche Schneedecke, was für das Weltklima tiefgreifende Konsequenzen hat. Die Regenfälle verändern sich überall. In einigen Landstrichen ist keine Landwirtschaft mehr möglich. Ökosysteme verändern drastisch ihr Gesicht, einige Arten werden in bestimmten Gegenden ausgerottet, während andere- darunter mikrobielle Krankheitserreger sowie ihre Überträger(zum Beispiel Insekten)- gedeihen und sich ausbreiten wie nie zuvor.
Können Mikroorganismen uns vor diesem Alptraum-Szenario bewahren?
Zwei japanische Mikrobiologen glauben fest daran, wie sie in der Zeitschrift „Nature“ schrieben:
Tadashi Matsunaga und Shigetoh Miyachi knüpfen ihre Hoffnungen an das Bakterium Synechococcus, das ihrer Ansicht nach zum Abfangen des Kohlendioxyds aus Kraftwerken und Industrieanlagen und damit zum Stopp oder gar zur Umkehr des Treibhauseffekts beitragen kann. Synechococcus gehört zu der großen Gruppe der Cyanobakterien.
Diese leben in Seen, in Flüssen, aber auch an Land. Einige Vertreter der Gruppe treten immer dann ins öffentliche Bewusstsein ,wenn sie „Wasserblüten“ im Meer oder in Süßwasser bilden und dabei Toxine frei setzten , die für Fische und andere Tiere gefährlich sind.
Matsunaga und Miyachi sind zuversichtlich, dass sich Synechococcus in riesigen Bioreaktoren kultivieren lässt, um dort gewaltige Mengen an Kohlendioxid zu fixieren. Frühere Bemühungen zur Anzucht von photosynthetischen Bakterien oder von Algen in solchen Behältern um sie als Tierfutter zu verwerten, scheiterten regelmäßig an der Tatsache, dass nur die nah am Licht schwimmenden Mikroben gut wachsen. Die grünen Zellen verhindern das Vordringen des Lichtes in tiefere Zonen der Kultur. Matsunaga, der an der Universität für Landwirtschaft und Technologie in Koganei bei Tokio arbeitet, hat- unterstützt durch ein ungewöhnliches Firmenkonsortium, darunter Onoda-Zement und der Kugelschreiberhersteller Pentel – den Prototyp eines Bioreaktors gebaut, der diese Schwierigkeit umgeht.
Sein Bioreaktor enthält nicht nur Wasser und die Bakterien, sondern auch 600 sehr dünne Faseroptik-Röhren. Im Gegensatz zu den üblichen Lichtleitern strahlen diese über ihre gesamte Länge hinweg Licht aus und sorgen damit für eine ausreichende Lichtversorgung in dem Gefäß. Daher wachsen sämtliche Zellen eines genetisch veränderten Synechococcus-Stammes darin optimal.
Aber es gibt noch mindestens eine weitere Hürde zu überwinden. Der Anteil an Kohlendioxid in den Emissionen von Kraftwerken und Fabriken ist meist wesentlich höher als die 0,03 Prozent in der Luft. Doch obwohl das Kohlendioxid lebenswichtig für photosynthetische Organismen ist, behindern hohe Konzentrationen das Wachstum.
Shigetoh Miyachi und seine Kollegen in den Labors für marine Biotechnologien in Kamaishi und Shimizu arbeiten an einem möglichen Ausweg.
Aus Meerwasser gelang ihnen die Isolierung einer Grünalge, die in einer Atmosphäre mit bis zu 20 Prozent Kohlendioxid noch gedeiht. Sollte es gelingen, die Gene zu finden, die für die Toleranz gegenüber dem Gas verantwortlich sind, könnten sie diese in Synechococcus übertragen und den Cyanobakterien damit die gleiche Toleranz verleihen.
Doch was macht man mit den riesigen Mengen an Mikroorganismen die so ein Bioreaktor in einem Kraftwerk Stunde um Stunde, Tag für Tag ausstößt?
Eine der vielen Möglichkeiten, die Matsunaga und Miyachi untersuchen wollen, hat die Entwicklung von Synechococcus- Stämmen zum Ziel, die den größten Teil der verfügbaren Energie und der erzeugten Materialien in sinnvolle Produkte umwandeln, anstatt sie für die eigene Vermehrung zu nutzen.
Japanische Mikrobiologen setzen schon seit langer Zeit Mikroorganismen zur Produktion von Aminosäuren als Nahrungsergänzung ein. Matsunaga hat bereits einen genetisch veränderten Synechococcus-Stamm erzeugt, der Glutaminsäure produziert. Dies gibt Anlass zu der Hoffnung, dass Synechococcus in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, nicht nur Aminosäuren, sondern auch andere wertvolle Produkte herzustellen.
Es wäre in der Tat eine wunderbare Verbindung der Interessen, wenn ein einziger genetisch manipulierter Organismus einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung der globalen Krise leisten und gleichzeitig Erzeugnisse von gastronomischen oder pharmazeutischen Wert herstellen könnte.
Das wäre wahrhaftig eine großartige Mikrobe!