Wie ich bereits anhand von einigen Beispielen dargestellt habe sind alle Bereiche unserer Gesellschaft und jeder Teil der belebten Welt von der Aktivität der winzig kleinen, makroskopisch nicht sichtbaren Mikroorganismen betroffen, seien es Bakterien, Viren, Pilze oder Protozoen.
Sie versorgen uns und alle Tiere mit unserer täglichen Nahrung, sind aktiv an der Reinigung von Abwasser beteiligt, zersetzen tote tierische und pflanzliche Zellen und sind an der Verarbeitung der unermesslichen Flut an giftigen Ausflüssen der modernen Industriegesellschaft maßgeblich beteiligt.
Doch Mikroorganismen können auch grauenhafte Epidemien verursachen, von den Pocken und der Pest des letzten Jahrhunderts über die noch heute weltweit verbreitete Cholera und Ruhr bis hin zur derzeitigen Welle von AIDS, die weltweit besorgniserregende Ausmaße annimmt.
Mikroorganismen haben ganze Armeen vernichtet und dadurch große militärische Feldzüge effektiver vereitelt, als die Taktik von Generälen oder die Intrigen von Politikern es je vermocht hätten.
Mikroben sind Opportunisten. Sie lauern immer auf eine Gelegenheit, Veränderungen im menschlichen Verhalten und in der belebten Umwelt für sich auszunutzen und lösen so Krankheiten wie z.B. die Legionärskrankheit aus.
Diese Krankheit ist eine schwere Lungeninfektion, die von Bakterien ausgelöst wird und an der 1976 in Philadelphia auf einem Treffen von Legionären und ihren Freunden und Familienangehörigen 182 Menschen erkrankten, von denen 29 starben.
Da sich die Legionäre nach dem Treffen wieder in unterschiedliche Teile der USA verstreuten, erkannte das Gesundheitsamt von Pennsylvania erst nach 16 Tagen, dass eine Seuche unter den Teilnehmern ausgebrochen war.
Aus Lungengewebe von Legionären, die an der Seuche gestorben waren gelang etwa ein halbes Jahr danach die Isolierung eines bis dahin noch unbekannten Bakteriums.
Als die Ursache für die Verbreitung der Mikrobe stellte sich eine defekte Klimaanlage heraus, wodurch ein feiner Dunst entstand, der in Luftleitungen kondensierte.
Als man Meerschweinchen diesen Dunst einatmen lies, bekamen sie eine Lungenentzündung.
Heute wissen wir, dass Legionella pneumophila wie das Bakterium benannt wurde zwei verschiedene nahe verwandte Erkrankungen auslöst. Zum einen die Legionärskrankheit, die speziell ältere Menschen befällt und mit Unwohlsein, Kopf-und Muskelschmerzen beginnt. Danach treten hohes Fieber, Brust- und Bauchschmerzen, Kurzatmigkeit und Durchfall auf. Ohne Verabreichung spezifischer Antibiotika sterben 20 Prozent der Erkrankten an Lungenentzündung. Die restlichen 80% erholen sich nach langer, schwerer Krankheit, müssen aber meist bis zur Genesung an eine künstliche Niere angeschlossen werden.
Das Pontiac-Fieber ( nach der US-Stadt Pontiac, Michigan, in der die Erkrankung 1968 auftrat) verläuft ähnlich, aber wesentlich harmloser. Es tritt keine Lungenentzündung auf und auch die Nieren werden nicht geschädigt. In Deutschland erkranken daran jährlich mindestens 100.000 Menschen.
Es gibt mehrere Legionellenarten, die weltweit in Böden und oberflächlichen Gewässern vorkommen. Sie als heimtückische Krankheitserreger zu bezeichnen ist unsinnig, da es immer der Mensch ist, der Voraussetzungen schafft, die den Bakterien einen neuen Lebensraum und optimale Temperaturen bieten, und ihnen eine ungebremste Vermehrung ermöglichen. Gerade in der Lunge, in der es keine Mikroflora gibt, die das Wachstum von Legionella pneumophila eventuell hemmen könnte, z.B. durch kompetitive Hemmung, wie es u. a. Lactobazillen vermögen, haben die Legionellen optimale Möglichkeiten sich rasant zu vermehren.
Da in allen Fällen bisheriger Epidemien die Bakterien über Aerosole in der Atemluft ihren Opfern zugeführt wurden, und nicht etwa von Mensch zu Mensch oder über das Trinkwasser die Epidemie weitergeleitet wurde, ist es stets auf menschliches Versagen zurückzuführen, wenn eine neue Krankheitswelle auftritt.
Leider ist die Aufklärung der zuständigen Behörden und auch der Presse bezüglich der Gefährdung durch den Erreger und die Art seiner Verbreitung oft sehr mangelhaft. Das führt dann vielfach zu falschen Schutzmaßnahmen und Panikreaktionen, die dann auch häufig mit wirtschaftlichen Einbußen bei den ansässigen Dienstleistungsunternehmen verbunden sind, wie dies gerade bei dem aktuellen Legionellen-Ausbruch in Warstein der Fall war.
Während der Niederschrift dieses Textes ist gerade zu lesen, dass in einem Kühlturm des Kraftwerkes Hamburg-Moorburg Legionellen im Kühlwasser entdeckt worden sind. Dies ist zwar nicht ungewöhnlich und auch kein seltener Befund, doch zeigt es, dass wir es uns nicht leisten können, in unserer Wachsamkeit bezüglich pathogener Mikroorganismen auch nur im Geringsten nachzulassen.